BGH, Beschluss vom 03.12.2009, IX ZB 139/07
Stichworte:
Versagungsgrund der Restschuldbefreiung wegen Verletzung der Erwerbsobliegenheit bei Kinderbetreuung
Einleitung:
Die Insolvenzordnung sieht vor, dass redlichen Schuldnern die Gelegenheit gegeben werden soll, sich von ihren Verbindlichkeiten zu befreien. Voraussetzung ist, dass der Schuldner einen Antrag auf Restschuldbefreiung stellt. Der Antrag auf Restschuldbefreiung soll mit dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens (Verbraucherinsolvenzverfahren – häufig auf Privatinsolvenzverfahren bezeichnet; Regelinsolvenzverfahren) verbunden werden. Die Durchführung des Insolvenzverfahrens ist Voraussetzung für die Restschuldbefreiung.
Das Restschuldbefreiungsverfahren beginnt mit dem Ankündigungsverfahren. Das Insolvenzgericht entscheidet im Ankündigungsverfahren durch Beschluss, ob das Restschuldbefreiungsverfahren in Gang gesetzt wird. Die Insolvenzgläubiger können die Versagung der Restschuldbefreiung beantragen. Welche Gründe zur Versagung der Restschuldbefreiung führen können, ist gesetzlich geregelt.
Nach der Beendigung des Insolvenzverfahrens beginnt für den Schuldner die sogenannte Wohlverhaltensperiode. Sie dauert sechs Jahre; sie beginnt ab dem Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Während der Wohlverhaltenszeit treffen den Schuldner sogenannte Obliegenheiten. Verstößt der Schuldner gegen eine dieser Obliegenheiten, kann ein Gläubiger unter bestimmten Voraussetzungen den Antrag stellen, dass das Gericht dem Schuldner die Restschuldbefreiung versagt.
Nach § 295 Abs. 1 Nr. 1 InsO trifft den Schuldner u.a. die sogenannte Erwerbsobliegenheit. Danach obliegt es dem Schuldner, während der Laufzeit der Abtretungserklärung – damit ist die Wohlverhaltenszeit gemeint – eine angemessene Erwerbstätigkeit auszuüben und, wenn er ohne Beschäftigung ist, sich um eine solche zu bemühen und keine zumutbare Tätigkeit abzulehnen. Die Erwerbsobliegenheit nach § 295 Abs. 1 Nr. 1 InsO wenn der Schuldner die Kinderbetreuung übernommen hat, ist Gegenstand des Beschlusses des BGH vom 03.12.2009.
Die Entscheidung des BGH:
Nach Auffassung des BGH entfällt die Erwerbsobliegenheit des Schuldners, wenn ihm die Aufnahme einer beruflichen Tätigkeit aufgrund der Umstände des Einzelfalls nicht zugemutet werden kann. Dies könne, so der BGH, auch bei der Betreuung minderjähriger Kinder in Betracht kommen. Entscheidend sei auf die familienrechtlichen Vorschriften abzustellen. Nach Auffassung des BGH besteht bei der Betreuung eines Kindes bis zum achten Lebensjahr grundsätzlich keine Erwerbsobliegenheit. Im Einzelfall könne dies nach den konkreten Umständen auch für die Betreuung eines Kindes bis zum elften Lebensjahr zutreffen. Bei einem Kind, das zwischen acht und elf Jahren alt ist, komme es bei der Frage, ob der Schuldner zumindest eine Teilzeit-Erwerbstätigkeit ausüben muss, wiederum auf die Umstände des Einzelfalls an.
Anmerkung: Der vorgenannte Beschluss des BGH betrifft den Zeitraum vor 2007. Ob der Beschluss des BGH wegen der geänderten familienrechtlichen Vorschriften auch auf aktuelle Fälle Anwendung finden kann, muss jeweils geprüft werden.