BGH, Urteil vom 18.05.2011 (Az.: XII ZR 67/09)
Stichworte:
Steuerliche Zusammenveranlagung in der Insolvenz eines Ehegatten
Einleitung:
Das Einkommensteuergesetz (EStG) sieht vor, dass Ehegatten im Rahmen der Einkommensteuer zusammenveranlagt werden können. Die Zusammenveranlagung führt unter anderem dazu, dass bei der Berechnung der Einkommensteuer der sogenannte Splitting-Tarif Anwendung findet (§ 26b EStG). Zudem kann beispielsweise ein Verlust, den ein Ehegatte erwirtschaftet hat, im Wege des Verlustvortrags beiden Ehegatten steuermindernd zu Gute kommen.
Voraussetzung für die Zusammenveranlagung ist, dass beide Ehegatten unbeschränkt einkommensteuerpflichtig sind und nicht dauernd getrennt leben (§ 26 Abs. 1 EStG).
Die Ehegatten werden nach § 26 Abs. 2 EStG getrennt verlangt, wenn einer der Ehegatten getrennte Veranlagung wählt. Ehegatten werden zusammenverlanlagt, wenn beide Ehegatten die betreffende Veranlagungsart wählen. Werden die nach § 26 Abs. 2 EStG erforderlichen Erklärungen nicht abgegeben, wird unterstellt, dass die Ehegatten die Zusammenveranlagung wählen.
Die Entscheidung des BGH hat Fragen der Zusammenveranlagung zum Gegenstand, wenn über das Vermögen eines der Ehegatten das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist.
Die Entscheidung des BGH:
Der BGH stellt zunächst – wiederholend – fest, dass sich aus dem Wesen der Ehe für beide Ehegatten die Verpflichtung ergebe, die finanziellen Lasten des anderen Teils nach Möglichkeit zu vermindern, soweit dies ohne Verletzung eigener Interessen möglich ist. Der BGH verweist dazu auf § 1353 Abs. 1 BGB. Ein Ehegatte sei daher dem anderen gegenüber verpflichtet, in eine von diesem gewünschte Zusammenveranlagung zur Einkommensteuer einzuwilligen, wenn dadurch die Steuerschuld des anderen verringert und der auf Zustimmung in Anspruch genommene Ehegatte keiner zusätzlichen steuerlichen Belastung ausgesetzt wird.
Darauf aufbauend hält der BGH fest, dass sich der Anspruch des einen Ehegatten auf Zustimmung zur steuerlichen Zusammenveranlagung nach Insolvenzeröffnung über das Vermögen des anderen Ehegatten gegen den Insolvenzverwalter richtet. In einem Rechtsstreit sei allein der Insolvenzverwalter passivlegitimiert. In der Insolvenz eines Ehegatten werde das Wahlrecht für eine Getrennt- oder Zusammenveranlagung zur Einkommensteuer gemäß § 80 InsO, § 30 Abs. 1 AO und Abs. 3 AO durch den Insolvenzverwalter ausgeübt. Der Insolvenzverwalter könne die Zustimmung zur Zusammenveranlagung davon abhängig machen, dass der insolvente Ehegatte und die Insolvenzmasse keiner zusätzlichen Belastung ausgesetzt werden. Der andere – nicht insolvente – Ehegatte sei verpflichtet, für steuerliche Nachteile, die infolge der Zusammenveranlagung entstehen, aufzukommen. Dies umfasse sowohl die unmittelbar eintretenden steuerlichen Nachteile in Form einer höheren Steuerbelastung oder einer geringeren Steuerstattung als auch eventuelle künftige Nachteile durch den Verbrauch des Verlustvortrags.
Die Zustimmung zur Zusammenveranlagung könne nicht von weiteren Leistungen des nicht insolventen Ehegatten abhängig gemacht werden. Es gebe weder einen Anspruch auf Aufzahlung desjenigen Betrags, um den sich die Steuerlast des nicht insolventen Ehegatten bei Inanspruchnahme des Verlustvortrags verringert habe noch brauche der nicht insolvente Ehegatte für die Nutzung des Verlustvortrags an sich einen Ausgleich zu leisten.